Wie viel Verantwortung trägt der Mensch?

Stiftsschule startet mit Philosophie-Professor in Vortragsreihe zum 125-Jährigen Bestehen

Amöneburg. Der Mensch und seine Verantwortlichkeit standen im Mittelpunkt eines Vortragsabends an der Amöneburger Stiftsschule. Der Marburger Philosoph Peter Janich war dazu in die Bergstadt gekommen.  
Inwieweit folgt menschliches Verhalten den Gesetzen von Ursache und Wirkung? Hat er Verantwortung? Wenn ja - wo beginnt sie? Zwei Weltsichten und Menschenbilder stellte der Referent in der Beantwortung des Sachverhalts gegenüber. Anschaulich begann der emeritierte Professor der Philipps-Universität Marburg mit zwei "Bild- und Bildungsbegriffen": Mit der Ab-Bildung von Etwas beschäftigen sich die Naturwissenschaften, mit dem Vor-Bild für Etwas, die Kultur- bzw. Geisteswissenschaften, führte er aus. Der eine Bildungsbegriff lässt sich in den Kategorien "richtig und falsch", der andere nur in "gerecht oder unpassend" fassen, der eine beschreibt ein Sein, der andere ein Sollen. Was macht den Menschen aus? Was unterscheidet ihn von Tier? Im Bezug auf Aristoteles, so Janich, stehe der Mensch über dem Tier, da er Eigenschaften habe, die ihm von Tier unterscheiden würden. So habe der Mensch alle tierischen Eigenschaften, ihn ergänzten aber Eigenschaften wie Vernunft, Sprache oder Rechnen, die ihn zugleich von den Tieren abgrenzen.

Der Konflikt der Wissenschaften beschrieb Janich durch eine "Vertierlichung des Menschen" oder "Vermenschlichung der Tiere" wie sie die Naturwissenschaften wahlweise versuchten. Am Beispiel einer Marmorstatue verdeutlichte er das darin begründete Dilemma. "Eine Marmorstatue hat alle physikalischen Eigenschaften von Marmor. Also ist sie Teil der Natur. Gleichzeitig ist sie aber ein vom Menschen geschaffenes Objekt, und somit wurde ein Eingriff in die Natur vorgenommen." Nach Janich seien die beiden Wissenschaften allerdings sehr wohl miteinander vereinbar. Die Marmorstatue habe sowohl natürliche Eigenschaften, als auch vom Menschen verursachte künstliche bzw. künstlerische Eigenschaften. Janich beschrieb dies als Aspektdualismus. Ein Objekt sei beides, Geist und Körper.




 
Die Differenzierung zwischen Natur und Kultur beschrieb Janich auch am Beispiel der literarischen Gestalten des Mogli und Robinson Crusoe, die er zu fiktiven eineiigen Zwillingen erhob: "Mogli wächst unter Tieren auf, lernt dadurch sich wie ein Tier zu verhalten. Robinson hingegen wächst in England auf, wohlbehütet, lernt Fähigkeiten die Mogli nicht erreichen kann: Laufen, Sprechen, Lesen. Er lernt und erfährt, wie Menschen handeln." Angenommen beide lebten völlig isoliert, begingen dann einen Mord, weswegen sie gerichtet werden sollten. "Wer von ihnen ist schuldfähig und wer nicht?" Nach Janichs Meinung sei Mogli nicht schuldfähig, da er kein Mensch sei, denn er sei unter Tieren aufgewachsen und ihm fehlten menschliche Werte, er zeige bloßes Verhalten. Crusoe hingegen, in menschlichen Gesellschaft groß geworden, sei schuldfähig, da er die Konsequenzen seines Handelns voraussehen könne und ihm Moral in seiner Jugend vermittelt worden sei.
Janich betonte, der Mensch werde nur in menschlicher Gemeinschaft zum Mensche. Daraus folgerte er eine wichtige Funktion von Schule. Sie solle nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch bilden. "Urteilsfähigkeit gehört zu den wichtigen Eigenschaften eines gebildeten Menschen.", so Janich. Das Ziel der Schule sollte also sein, vernünftige Selbstständigkeit zu lehren und nicht nur pure Wissensvermittlung.


11.3.2010

von Daniel Skott