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Erben wir unser Gewicht?

Projektwoche der Stiftsschule beleuchtet Hintergründe und Ursachen von Diabetes und Adipositas

Amöneburg: Der Anteil an Diabetes Typ 2 erkrankter Menschen nimmt weltweit immer mehr zu. Circa 9% der Bundesbürger leiden insgesamt an Diabetes, wovon 90% auf den früher als Alterdiabetes bezeichneten Typ 2 entfallen. Alarmierend ist, dass zunehmend junge Menschen von der Krankheit betroffen sind, bei der der Körper eine Resistenz gegenüber dem Blutzucker-senkenden Hormon Insulin entwickelt. Früher oder später ist die Produktionskapazität der Bauchspeicheldrüse erschöpft und der Zuckerkranke ist auf die tägliche Injektion des Hormons angewiesen. Die Spätfolgen können über Erblindung, häufige Infektionen, schlecht heilende Wunden bis hin zu Herzerkrankungen, Schlaganfall oder Dialyse-bedürftigkeit gehen.

Als Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes werden neben genetischen Faktoren Übergewicht bzw. Fettleibigkeit (Adipositas), Bewegungsmangel und Rauchen angegeben. Daraus ist aber auch ersichtlich, dass gerade in diesem Bereich ein weites Spektrum an Präventionsmöglichkeiten besteht.

In der Projektwoche für die Jahrgangsstufe 13 der Stiftsschule beschäftigte sich eine Gruppe acht Unterrichtsstunden täglich mit vielfältigen Aspekten des Themas. Die Schülerinnen und Schüler lernten in einem Experiment die Komponenten und die Funktionsweise von Glucose-Teststäbchen kennen, wie sie für die Diagnose von Zucker im Harn verwendet werden. Dr. Ortwin Schuchardt, der Vorsitzende des Ehemaligenvereins Amoeneburgia der Stiftsschule, konnte aus ärztlicher Sicht über seine Erfahrungen mit Diabetes und Adipositas berichten. Den Alltag eines Diabetikers konnten ein Mitschüler, der seit sechs Jahren und eine ehemalige Schülerin, die seit über zwanzig Jahren insulinpflichtige Diabetikerin ist, erläutern.

 
In diesem Zusammenhang wurde auch klar, wie groß der therapeutische Fortschritt seit der Verwendung von gentechnisch hergestelltem Insulin in der Mitte der 1980er Jahre war. Vorher wurde Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Schlachttieren gewonnen und für die medizinische Verwendung gereinigt und chemisch verändert.

Wie diese gentechnische Produktion von Humaninsulin in der Praxis abläuft, konnten die Schülerinnen und Schüler der Projektgruppe in einem mehrtägigen Experiment mit Bakterien nachvollziehen. Seit einigen Jahren bietet ein als "Blue Genes" bezeichnetes Experimentalsystem die Möglichkeit, in der Schule mit (selbstverständlich unbedenklichen) Reagenzien und Bakterien die praktische Seite der modernen Gentechnik nachzuvollziehen. Der Biotechnologiekurs der Stiftsschule widmet sich ein ganzes Halbjahr diesem Thema und führt darüber hinaus noch viele weitere Experimente hierzu durch.

Bewegungsmangel wird, nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, als einer der wesentlichen Risikofaktoren für Adipositas und Diabetes angesehen. In der Projektwoche integriert war also ein tägliches zweistündiges Sportprogramm mit Ultimate Frisbee bzw. Jogging. Dabei wurden Leistungsparameter wie beispielsweise die Herzfrequenz oder der Blutzuckerspiegel erfasst und quantitativ ausgewertet. Selbst in der kurzen Trainingszeit ließen sich deutliche Leistungszuwächse bei den Teilnehmern verzeichnen.

 
In einer ganztägigen Exkursion zur Universität Marburg konnten die Projektteilnehmer aus erster Hand Informationen zu modernen Forschungsansätzen in Verbindung mit der Regulation des Körpergewichtes gewinnen. Alexander Tups, Mitglied der Arbeitsgruppe von Dr. Martin Klingenspor an der Abteilung Tierphysiologie des FB Biologie, referierte über die periodische Gewichtsregulation beim Dsungarischen Zwerghamster, Frau Dr.Anne-Kathrin Wermter von der klinischen Forschergruppe an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie stellte die Bedeutung genetischer Faktoren für unser Gewicht dar und Dr. Carola Meyer konnte eine überraschenden Bezug zwischen Genen für die Fellfarbe und solchen, die bei der Steuerung des Energiestoffwechsels von Bedeutung sind, herstellen. Schließlich stellte Frau Dr.Anja Hilbert, die Leiterin der BMBF-Nachwuchsforschergruppe "Psychosoziale, ethische und rechtliche Konsequenzen genetischer Befunde bei Adipositas" die Ergebnisse ihrer repräsentativen Umfrage vor, die nur wenige Tage vorher durch die Presse gingen.

Insgesamt wurde an diesem Exkursionstag anspruchsvolle wissenschaftliche Kost gereicht, die unsere Projektmitglieder mit rauchenden Köpfen nach Hause entließ.

 
Wie bereits zu Beginn der Projektwoche war bei der Projektgruppe auch am Ende mit Elke Horner, einer ehemaligen Stiftsschülerin, eine Ökotrophologin zu Gast, die mit viel Praxis gespickte Informationen zu gesunder Ernährung geben konnte. Frau Horner sprach mit einschlägiger Erfahrung aus ihren Kursen zur Gewichtsreduktion, die sie mit Adipositas-Patienten durchführt.

Die Eingangsfrage, "Erben wir unser Gewicht?", die zum Thema der Projektwoche wurde, kann abschließend nicht mit einem eindeutigen Ja oder Nein beantwortet werden, dafür sind die Einflussfaktoren zu vielschichtig. Allerdings führte die Woche zu einer sehr fundierten und differenzierten Sicht des Themas, die die Schülerinnen und Schüler der Stiftsschule als "Multiplikatoren" in ihren Familien- und Freundeskreis hineintragen können.

Stefan Neubauer/Rainer Werel