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Manches Zitat des Autors schockiert die Stiftsschüler

Maximilian Dorner las aus dem „Tagebuch eines Behinderten"

Die Schüler der Jahrgangsstufe 12 der Stiftsschule erlebten an einem Projekttag durch den Besuch von Maximilian Dorner das Leben mit Multipler Sklerose hautnah.  
Amöneburg. „Ich bin ein Mann von vierunddreißig Jahren. Ich möchte nicht, wenn ich im Rollstuhl, mit Krücken oder sonst wie humpelnd, stolpernd, torkelnd zu einer Party komme, allen die Laune verderben, damit die Gäste während einer Schweigeminute über die Musikauswahl für ihr eigenes Begräbnis nachdenken können", liest Maximilian Dorner aus seinem im vergangenen Jahre veröffentlichten Buch „Mein Dämon ist ein Stubenhocker — aus dem Tagebuch eines Behinderten." Die Stiftsschüler lauschen schweigend.
Der Autor liest weiter: „Da ist mir die pragmatische Reaktion einer verschleiert dreinblickenden Frau doch lieber, die bei einer solchen Party abwechselnd auf meinen Stock und auf mich starrte. Entschuldigend sagte ich: ,Ich habe eine Nervenkrankheit und kann nicht mehr ohne Hilfsmittel gehen.' Sie brauchte ein paar Sekunden, um die Information zu verarbeiten. Man sah ihr förmlich an, wie sie mit sich rang, etwas Angemessenes zu erwidern. Schließlich entgegnete sie: ,Ach, wie unpraktisch, gerade auf einer Stehparty'." Diesmal sind die Schüler entsetzt.

Mal lauschten die ZwölftklässIer schweigend, mal waren sie deutlich schockiert von den Ausführungen Maximilian Dorners (Mitte), der über das Leben mit Multipler Sklerose berichtete. Foto: Böttcher  
Multiple Sklerose (MS), ihre Hintergründe, ihre Behandlung, vor allem aber das Leben mit der Krankheit standen im Mittelpunkt eines Thementages, der eine Ergänzung zur Projektwoche im Februar ist, als es um das Thema „vom Wirkstoff zum Medikament" ging.
Bei einer Besichtigung der Firma Merck erfuhren die Schüler damals, dass ein neues Medikament für MS in der Entwicklung ist.
Jetzt wurden die Schüler direkt mit der Krankheit konfrontiert. Der Neuroimmunologe, Oberarzt Dr. Björn Tackenberg von der Universität Marburg, sprach über die Hintergründe und Einsichten zu MS, bevor Maximilian Dorner aus seinem Buch vorlas.
Dorner ist behindert „und fühlt sich auch so". Er hat ein außergewöhnliches Buch geschrieben — offen, ebenso klug wie komisch und mit messerscharfer Beobachtungsgabe.
Dorner traf die Nachricht von seiner Erkrankung vor zwei Jahren. Plötzlich war alles anders. Er erfuhr, dass er sein restliches Leben auf starke Medikamente und Hilfe angewiesen sein wird. Der 37-jährige studierte Dramaturgie und arbeitet heute als Opernregisseur und Lektor. Mit seiner Krankheit geht er bemerkenswert offen und offensiv um.


12.10.2010

von Klaus Böttcher

Quelle: Oberhessische Presse vom 12.10.2010