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Der genetische Fingerabdruck

Grundlagen

Eine der erstaunlichsten Erkenntnisse der Entschlüsselung des menschlichen Genoms ist, dass wir nur etwa ein Drittel so viele Gene besitzen wie ursprünglich angenommen - fast ebenso viele wie die Taufliege oder die Maus. Zwischen diesen Genen, die unsere äußere Erscheinung und auch unser angeborenes Verhalten mitbestimmen, liegen allerdings Wüsten von Erbmaterial, das keine Bedeutung zu haben scheint. In diesen, als STR (1) oder Mikrosatelliten bezeichneten Regionen wiederholen sich kurze DNA-Bereiche zigmal, ohne dass damit irgendeine sinnvolle Erbinformation verbunden wäre. Dennoch folgt die Anzahl der Widerholungen einem genau festgelegten Muster, das wir von unseren Eltern erben.

Für genau diesen, scheinbar langweiligen Bereich interessieren sich die Wissenschaftler bei der Erstellung eines "genetischen Fingerabdrucks", denn das STR-Muster ist für jeden Menschen so individuell wie eben ein Fingerabdruck. Untersucht man mehrere solcher Genorte (Loci), so kann man eine Person mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit identifizieren, ohne allerdings irgendetwas über ihre Eigenschaften aussagen zu können.

Bei der Untersuchung von DNA, speziell bei der Untersuchung von Spuren am Tatort eines Gewaltverbrechens, findet man oft nur äußerst geringe Mengen an Erbmaterial, die vor einer wissenschaftlichen Untersuchung erst einmal vervielfältigt werden müssen. Dazu dient die von Kerry Mullis entdeckte Methode (Nobelpreis 1993), die Polymerase-Kettenreaktion (PCR), mit der man innerhalb kurzer Zeit mehrere Millionen identischer Kopien eines DNA-Abschnittes herstellen kann. Dabei wird im Prinzip der zelleigene Kopiermechanismus in abgewandelter Form genutzt.

Vervielfältigung der DNA in der PCR

Dazu benötigt man kurze Startmoleküle aus einsträngiger DNA (Primer), die sich an einen Abschnitt binden, der sich vor den zu untersuchenden STRs befindet. Der DNA-Doppelstrang wird durch Hitzeeinwirkung (immerhin ca. 94°C) wie ein Reißverschluss in seine Einzelstränge getrennt (Denaturierung). Nun lagern sich bei einer tieferen Temperatur (ca. 52°C) die Primermoleküle an die Einzelstränge an (Annealing) und schließlich ergänzt bei etwa 72°C ein besonders hitzestabiles Enzym, die Taq-Polymerase (2), jeden Einzelstrang mit Hilfe von DNA-Bausteinen (dNTPs) wieder zu einem Doppelstrang (Extending). Ein solcher Zyklus, der ca.2 min dauert, wird dann dreißig Mal wiederholt, so dass man nach etwa zwei Stunden von einem DNA-Abschnitt theoretisch 1 Milliarde identischer Kopien erhält.

Ob die untersuchten STR-Bereiche an einem Locus gleich lang oder unterschiedlich lang sind hängt davon ab, welche Erbinformation wir von unseren Eltern bekommen haben. Sind sie gleich lang, so spricht man von Homozygotie, im anderen Fall von Heterozygotie. Das ist an jedem der üblicherweise dreizehn untersuchten Loci anders.

Trennung der DNA-Stücke

Die in der PCR vervielfältigten DNA-Stücke müssen nun einer Gel-Elektrophorese ihrer Größe nach getrennt werden. Durch ihre Ladung wandern sie, angezogen durch ein elektrisches Feld, durch eine Pudding-artige Substanz (Agarosegel) - und zwar so, dass die kleineren Stücke schneller und die großen Stücke langsamer durch die Maschen des Gels schlüpfen. Da DNA selbst unsichtbar ist, werden die Abschnitte noch angefärbt und können anschließend betrachtet werden.

Jeder Mensch besitzt ein charakteristisches DNA-Bandenmuster, vergleichbar einem Barcode, an dem man ihn identifizieren kann. Selbstverständlich gehen die Möglichkeiten der PCR weit über diese Anwendung hinaus. Sie kann z.B. auch zum Nachweis von genveränderten Lebensmitteln, zum Vaterschaftsnachweis, zum schnellen Nachweis von Krankheitserregern oder zur Klärung archäologischer Fragestellungen herangezogen werden.

Das Experiment:

Im Biotechnologiekurs machen die Kursteilnehmer eine DNA-Typisierung mit einem Genlocus (dem D1S80-Locus am kurzen Arm von Chromosom 1. Das know-how stammt von der Science-Bridge-Arbeitsgruppe der Uni Kassel (http://www.sciencebridge.net/), an der die Stiftsschule ebenfalls mitarbeitet.

Eine Variante des DNA-Fingerprinting wurde im diesjährigen mündlichen Abitur erstmals erfolgreich durchgeführt. Hier erstellte ein Prüfling (Philipp Euen, Bild unten) nach der Vorlage des "crime-scene-investigator"-Protokolls der Firma Biorad (http://www.bio-rad.com) einen genetischen Fingerabdruck.

 
 
(1) Short Tandem Repeats(2) sie wurde ursprünglich aus dem Archäbakterium Thermus aquaticus gewonnen, das in heißen Quellen vorkommt.